Verwaltungsbehörden haben in der Schweiz bis 1981 Administrative Versorgungen ohne gerichtliches Verfahren angeordnet.
Bis etwa 1981 wurden zehntausende Kinder und Jugendliche in der Schweiz von Behörden auf Bauernhöfe als billige Arbeitskräfte „verdingt“, in streng geführte Heime oder in geschlossene Einrichtungen eingewiesen resp. fremdplatziert (BBl 2020, 1639; Parlamentarische Initiative zur Fristverlängerung für Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen; Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates vom 17.1.2020).
Am 1. April 2017 ist das Bundesgesetz über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 (AFZFG) in Kraft getreten. Was bringt das Gesetz?
Die in Art. 5 Abs. 1 AFZFG gesetzlich vorgesehene Frist bis 31.3.2018 soll ersatzlos gestrichen werden. Mit einer Übergangsbestimmung soll garantiert werden, dass bereits nach dem 1.4.2018 (verspätet) eingereichte Gesuche auch mitberücksichtigt werden können.
Der Solidaritätsbeitrag gemäss Art. 7 AFZFG soll für alle Gesuchstellenden auf einheitlich CHF 25’000 festgesetzt werden. Der Ständerat hat die Änderungen in der Sitzung vom 4.3.2020 angenommen.
Der Bund anerkennt, dass den Opfern Unrecht zugefügt worden ist. Der Bund anerkennt weiter, dass sich das Unrecht auf ihr ganzes Leben ausgewirkt hat (Art. 3 des Bundesgesetzes über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 [AFZFG]).
Betroffene können kostenlose Akteneinsicht in die sie betreffenden Akten verlangen. Das Recht steht nach ihrem Tod auch ihren Angehörigen zu (Art. 11 AFZFG). Dagegen besteht aber kein Anspruch auf Berichtigung oder Vernichtung von Akten (Art. 11 Abs. 4 AFZFG).
Opfer der Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen inklusive Verdingkinder können ein Gesuch um Gewährung des Solidaritätsbeitrages beim Bundesamt für Justiz einreichen (Art. 2 der Verordnung zum Bundesgesetz über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 [AFZFV]).
Gesuche von Personen, die über 75 Jahre alt sind werden prioritär behandelt, im Übrigen gilt die Reihenfolge des Gesuchseingangs (Art. 4 AFZFV). Stirbt ein Opfer nach Einreichung des Gesuches, fällt der Solidaritätsbeitrag in die Erbmasse (Art. 4 Abs. 5 AFZFG).
Der Maximalbetrag des Solidaritätsbeitrages beträgt pro Opfer 25’000 Franken (Art. 7 AFZFG). Weitergehende Ansprüche auf Entschädigung oder Genugtuung werden im Gesetz in Art. 4 Abs. 2 AFZFG explizit ausgeschlossen.
Betroffene können sich bei kantonalen Anlaufstellen melden und bei der Vorbereitung und Einreichung ihrer Gesuche Unterstützung einfordern (Art. 14 Abs. 2 AFZFG).
Die Betroffenen müssen glaubhaft machen,
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dass sie Opfer der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 waren.
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Die Glaubhaftmachung der Opfereigenschaft nach AFZFG erfolgt durch Aktenbeizug und der Beilage weiterer Unterlagen, die geeignet sind, die Opfereigenschaft zu belegen (Art. 5 Abs. 2 AFZFG).
Betroffene können als Opfer im Sinne des Bundesgesetzes über die Hilfe an Opfer von Straftaten (OHG) anerkannt werden und gestützt auf Art. 2 lit. a und b OHG eine Beratung, Soforthilfe oder eine langfristige Hilfe beanspruchen (Art. 14 Abs. 1 AFZFG). Die Betroffenen können sich somit durch eine Anwältin ihrer Wahl vertreten lassen. Die Anwaltskosten können gestützt auf Art. 5 OHV als Soforthilfe oder längerfristige Hilfe über die Opferhilfe abgegolten werden (Art. 19 Abs. 3 OHG).
Der Entscheid des Bundesamtes für Justiz über das Gesuch um Gewährung des Solidaritätsbeitrages ergeht in der Form einer Verfügung (Art. 6 AFZFV). Gegen die Verfügung resp. die Ablehnung des Gesuches kann innert 30 Tagen Einsprache erhoben werden (Art. 8 AFZFG).
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